Let's talk about: Sexuelle Selbstbestimmung

Ausfluss, sexuelle Neigungen, Gendern, Selfissues oder (fehlende) Gleichberechtigung – was haben all diese Themen gemeinsam? Richtig, sie gehören zum Alltag vieler Menschen dazu und sind daher ganz gewöhnlich, werden jedoch nicht als solche behandelt. Sie gelten oft als eine Art „Tabu-Thema“. Wir wollen mit dieser neuen Rubrik Tabu-Themen brechen und enttabuisieren! 

Fast jede*r kennt das Gefühl ausgegrenzt und manchmal auch allein zu sein. Wir möchten natürlich keinerlei Themen kleinmachen oder verharmlosen, jedoch denken wir, dass einige Gründe für einen sozialen Rückzug oder eine gesellschaftliche Ausgrenzung durch Aufklärung und offene Kommunikation „entschärft“ werden können. Wir möchten in diesem Blog das Thema „Sexuelle Selbstbestimmung“ aufgreifen und dir zeigen, was überhaupt dahinter steckt, wie sexuelle Selbstbestimmung gesetzlich in Deutschland geregelt ist oder wie sich Menschen fühlen, die sich in ihrer sexuellen Selbstbestimmung eingeschränkt fühlen.

Gesetzlicher Rahmen

Fangen wir mit den gesetzlichen Regelungen innerhalb der Bundesrepublik Deutschlands an: Hier leitet das Bundesverfassungsgericht das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung aus der Würde des Menschen nach Art. 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht  nach Art. 2 GG ab. 

Ich nehme dich mal mit in die Vergangenheit. Besser gesagt, durch die deutsche Geschichte hinsichtlich der Behandlung homosexueller Menschen. Kennt ihr den Begriff der „175er“? So wurden homosexuelle Männer jahrelang genannt, da der Paragraph 175 des Reichsgesetzbuches von 1872 bis weit in die Nachkriegszeit gleichgeschlechtliche Beziehungen zwischen Männern stigmatisierte und illegalisierte. Der genaue Wortlaut dieses Paragraphen: „Widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Thieren begangen wird, ist mit Gefängniß zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.“ Auch während des Nationalsozialismus wurde das „unzüchtiges Verhalten“ zwischen zwei Männern mit Gefängnis oder Konzentrationslager bestraft. Erst im Jahr 2002 wurden Männer, die von NS-Gerichten verurteilt worden waren, vom Bundestag juristisch rehabilitiert – so lange wurde ihnen Anerkennung als Opfer eines furchtbaren Verbrechens ausgeschlagen. Die 68er Bewegung war der erste soziale und sexuelle Wandel, der Homosexuelle Menschen dazu ermutigte, öffentlich ihre Bedürfnisse und Forderungen zu äußern.

Die Abkürzung LGBT oder LGBTQ ist dir doch bestimmt ein Begriff. Weißt du denn auch, wofür sie steht? LGBTQ steht für lesbsiche, bisexuelle, schwule, transexuelle, transgender, queere, intersexuelle oder asexuelle Menschen. Diese Gemeinschaft setzt sich für sexuelle Selbstbestimmung und einen selbstbewussteren Umgang mit der sexuellen Identität ein. Du weißt nicht, was Pansexualität oder Asexualität bedeutet? Nicht schlimm – aber nimm dir die Zeit, dich zu informieren und so den tran-, pan-, oder bisexuellen Menschen Respekt und Anerkennung entgegenzubringen.

Was bedeutet es sexuell selbstbestimmt leben zu dürfen?

Sexuelle Selbstbestimmung umfasst viele wichtige und grundlegende Dinge: Es schließt zum Einen die sexuelle Orientierung und die freie Wahl der Sexualpartner mit ein und zum Anderen sollte es jedem Menschen ermöglicht werden, sein Geschlecht beziehungsweise die Geschlechtsidentität frei zu wählen. Sexuell selbstbestimmt zu leben ist jedoch noch immer ein echtes Privileg! Auch zur heutigen Zeit werden homosexuelle Menschen, Transgender oder bisexuelle Menschen beschimpft und stigmatisiert. Die Liste von Gewalttaten, die aus Hass und Intoleranz gegenüber sexuellen Minderheiten entstehen, ist lang – viel zu lang. Bedrohungen oder Eingriffe in die sexuelle Selbstbestimmung stellen zwar Straftaten dar und stecken dadurch einen rechtlichen/staatlichen Handlungsrahmen ab, tragen jedoch nicht zwangsläufig zu einer gesellschaftlichen Akzeptanz und Gleichbehandlung jeder selbstbestimmten Lebensformen bei.

Nehmen wir doch noch ein weiteres Beispiel, um das aktuell noch immer vorherrschende soziale und politische Gesellschaftsbild zu verdeutlichen: Die Rolle der Frau. Eigentlich absurd, dass wir noch immer von einer Art Rolle beziehungsweise einem ganz bestimmten Rollenbild sprechen, denn an jede soziale Rolle sind Erwartungen, Werte und Handlungsmuster geknüpft. Viele Menschen haben auch heutzutage sehr traditionelle Rollenerwartungen, die Frauen in ihrer Handlungsfreiheit einschränken und maßgeblich zu einem Erwartungsdruck beitragen. Auch wenn vorgefertigte Meinungen nicht erfüllt oder umgesetzt werden „müssen“, drohen durch Nichterfüllung dieser, negative soziale Sanktionen. Bezogen auf das Leben und die Entscheidungen einer Frau: Ein Vollzeitjob, vielleicht noch überdurchschnittlich gut bezahlt und der bewusste Verzicht auf Familie und Ehe – vielleicht toleriert aber bei vielen Menschen definitiv nicht respektiert und akzeptiert. Schaut man jedoch genauer hin, ist ein allgemein gültiges Bild einer „perfekten Familie“ bei weitem nicht das Schlimmste. In einigen Ländern sind die Möglichkeiten von Frauen, sexuell selbstbestimmt zu leben massiv eingeschränkt. Besonders diskriminierende Gesetzgebung und patriarchalische Gesellschaftsstrukturen tragen im schlimmsten Fall zu Zwangsehen oder Zwangsprostitution bei. 

Was können wir also tun?

Eine Frage, auf die es pauschal keine einschlägige Antwort gibt. Es ist jedoch wichtig, über solch fundamentale Dinge zu sprechen! Sexuelle Selbstbestimmung ist Recht eines jeden Menschen und jeder Mensch sollte diskriminierungsfrei über das Sexualleben und die eigene soziale oder berufliche Rolle entscheiden dürfen – völlig unabhängig von der Herkunft, der geschlechtlichen und sexuellen Orientierung oder der ökonomischen oder sozialen Situation.

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